Mars 27

In den letzten Tagen erreichten mich zwei widersprüchliche Meldungen. Die eine bezog sich auf meine Pensionskasse. Sie lautete, sie hätten die Zahlungen jetzt eingestellt. Als Begründung hiess es: Sie weilen nicht mehr unter uns. – Die andere Meldung betraf meine Unfall- und Krankenversicherung und war eine Mahnung. Ich hätte seit geraumer Zeit keine Prämienzahlungen mehr geleistet. Sie könnten ihren Versicherungsleistungen nicht mehr nachkommen, wenn ich nicht unverzüglich den geschuldeten Betrag überweisen würde.

Bin ich auf Erden tot? Oder nur abwesend und deshalb weiterhin zahlungspflichtig? Erkrankte ich hier draussen oder würde ich mir das Bein brechen, käme da mit Blaulicht die Ambulanz angebraust und überführte mich ins nächste Spital? Und womit könnte ich diese Leistungen begleichen, ohne Pension? Bürokratisch-administrativ scheine ich auf meinem Weg zum Mars eine Knacknuss zu sein. Ich schmunzle und schaue mir die Falter an, die sich mit ihren Andromeda-Flügeln wieder einmal zum Tanz aufreihen. Wie schön ihre Bewegungen sind. Die Käfer schlafen noch, die Spinnen auch.

Nie mehr können mir diese Bürokraten dort unten mit ihren exorbitanten Rechnungen, bezahlbar innert 30 Tagen, mit ihren Fragebögen, Anmeldeformularen, Selbstdeklarationen, Steuerformularen und Rapports die gute Laune verderben. Alles wollten sie von mir wissen. Wie oft fehlte mir zur Beantwortung schlicht das Vokabular, verstand die Fragen nicht? Worauf zielten sie wohl ab? Manchmal hatte ich den Verdacht, ich würde in eine Falle, in einen Hinterhalt geraten. So liess ich die Beantwortung von Fragen oft bleiben und wurde in der Folge angemahnt oder eingeschätzt, war Objekt des Gutdünkens und aufs Wohlwollen dieser Funktionäre und Sachbearbeiterinnen angewiesen. Sie taten ja nur ihre Pflicht. Und jetzt fragen sich diese Bürohengste hinter vorgehaltener Hand bestimmt, wie so einer auf den Mars reisen kann, der auf Erden nicht einmal einen Fragebogen richtig ausfüllen konnte!

Ich wage nicht zu behaupten,  sie hätten mich je übers Ohr gehauen, ausschliessen kann ich es aber auch nicht. Ich legte bei behördlichen Entscheiden nie Widerspruch ein, nicht weil die Abrechnungen gestimmt hätten, sondern weil ich sie erst gar nicht verstand und auch nicht nachvollziehen konnte.

Ground Control, übernehmen Sie. Mein Handlungsspielraum hier oben ist etwas beschränkt. Nur eine Bitte: lasst nicht zu, dass die Zahlungen meiner Pension eingestellt werden! An diesem Geldtropf hängen verschiedene Nutzniesser. Ich lebe noch und trage dazu bei, dass sich andere damit ein Studium leisten können oder was auch immer. Oder ist eine derartige Verwendung dem Vorwurf der Zweckentfremdung ausgesetzt? Muss ich jetzt von hier aus dafür noch um Verständnis und Mitleid betteln? Oder der guten Form halber und aus Solidarität mit allen Opfern des Strassenverkehrs und auf den Skipisten, mit allen Krebspatienten und solchen mit Schleudertrauma die Beiträge für Unfall- und Krankenkasse doch noch entrichten, auch wenn ich nicht mehr in den Genuss von irgendwelchen Leistungen kommen werde?

One Response to “Mars 27”

  1. Matthias Senn

    Super, dass Du noch am Leben bist, wenn auch auf Weltraumfahrt. Falls Bedarf besteht, würde ich diese Umstände hierorts, wo immer es nötig ist, noch so gerne bestätigen. Auf weitere Nachrichten freue ich mich in gespannter Neugier.
    Mit herzlichen Grüssen aus Absurdistan
    Matthias

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